Battle Royale – Nur einer kann überleben (2024)

Kritik

Battle Royale – Nur einer kann überleben (1)

Nach einer Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Arbeitslosigkeit in Japan, sondern es werden zudem viele regierungskritische Stimmen laut. Als die Lage sich weiter zuspitzt, verabschiedet das Kabinett den sogenannten „BR Act“, ein Gesetz, welches vor allem der Kontrolle der japanischen Jugend dienen soll. Einer der Hauptkonsequenzen ist das „Battle Royale“, ein jährlicher Wettbewerb, bei dem nach dem Zufallsprinzip die Klasse einer Mittelschule des Landes ausgewählt wird. Auf einer von der Außenwelt abgeschirmten Insel müssen die Schüler der Klasse gegeneinander ums Überleben kämpfen, während sie dabei vom Militär überwacht werden. Bei Übertreten der Spielregeln explodieren elektronische Halsbänder, mit denen sie im Vorfeld versehen wurden, was dann den sicheren Tod bedeutet. Die Battle Royale dauert nur 72 Stunden und es kann nur einen Gewinner geben, doch falls wider Erwarten mehrere bis dahin überlebt haben, werden einfach deren Halsbänder aktiviert. Ein solches Schicksal widerfährt auch der Klasse 3-B der Shiroiwa-Schule, deren Schüler, die bis gerade noch auf einem Ausflug waren, sich in einem anonymen Klassenzimmer wiederfinden. Ihr ehemaliger Lehrer Kitano (Takeshi Kitano) eröffnet ihnen, dass sie dieses Jahr die Auserwählten für die Battle Royale seien und sogleich werden sie Schüler mit Proviant und einer Waffe ausgestattet und auf die Insel entlassen. Auch Shuya (Tatsuja Fujiwara) befindet sich in der Klasse. Nachdem er den frühen Tod seines besten Freundes zusehen musste, kommt er einem Versprechen nach und kümmert sich um Noriko (Aki Maeda), die eigentlich in Shuya verliebt ist. Während ihre Waffen sich als nutzlos erweisen, geht um sie herum die Jagd der Schüler aufeinander weiter, immer wieder motiviert durch die Durchsagen Kitanos über Lautsprecher. Als Shuya schon die Hoffnung auf jegliche Rettung aufgegeben hat, bekommen er und Noriko unerwartet Hilfe.

Der kranke Staat
Das Kino des Regisseurs Kinji Fukasaku, seine Gangsterfilme wie Battles Without Honor and Humanity und Yakuza Graveyard, stellen nicht nur wichtige Impulse für die Filmindustrie seines Heimatlandes in den 60er Jahren dar, sondern spiegeln zudem eine zutiefst desillusionierte Haltung wider bezogen auf die politisch-wirtschaftliche Elite seines Landes. Seine Helden sind Menschen, die meist selbst Teil einer Vereinigung oder Institution sind, die deren langsamen Prozess der moralischen Korruption beobachten, in dem schon bald keine klaren Linien zwischen gut und böse, Verbrecher und Politiker mehr vorhanden sind. Von seiner eigenen Erfahrung als Kind während des Zweiten Weltkrieges erfüllt Fukasaku, nach eigener Aussage, schon immer ein tief sitzender Zweifel über die Darstellung Japans nach dem Weltkrieg, sodass seine Filme, wie auch diese seiner Zeitgenossen eine alternative Geschichte seines Landes zeigen sollten.

Von daher wundert es nicht, dass auch sein letzter Film Battle Royale durchzogen ist von einer negativen Haltung auf staatliche Autorität. Bereits in der ersten Minuten des Filmes zeigt uns Fukasaku eine Welt, die durch Kontrollverlust und Apathie definiert ist, in der das Konzept der Familie zersetzt wurde und die klassischen Autoritäten, im Film symbolisch dargestellt durch Takeshi Kitanos Figur, nur hilflos agieren, haben sie doch keine Sprache gefunden, um den gesellschaftlichen Verfall aufzuhalten.

Innerhalb des Erzählkosmos seines Kinos ist die Gewalt bei Fukasaku immer eine Form der Repression. Die Schießereien in seinen Yakuza-Filmen waren Spiegel einer Hierarchie, die sich nach außen hin durch tradierte, symbolische Gesten selbst erhält, aber nach innen durch Gier und Missgunst geprägt ist. In Battle Royale tritt der Staat nicht mehr als Schütze auf, sondern hat durch eine perverse Wiederbelebung des „Brot und Spiele“-Prinzips den Opfern selbst die Hände an den Abzug gelegt. Geschützt durch willige Soldaten, Mauern und Technik ist dieses System nur noch die Lautsprecherstimme eines lächerlichen Mannes, der sich in einem Bunker versteckt, wo er die (gestohlenen) Kekse einer Schülerin verspeist. Wohl niemand außer der für seinen trockenen Humor bekannte Takeshi Kitano kann einen solchen Mann spielen in all seiner Absurdität und kindischem Gehabe.

Die Jugend der Nation
Doch selbst eine Figur wie Kitano ist nur ein Stellvertreter, denn die Führer dieser Autokratie bleiben im Hintergrund und ziehen die Fäden. Vereint sind sie in ihrer Ideologie gegen die Jugend, deren Potenzial zur Veränderung, deren fordernder Geste nach Orientierung, Erziehung und Verständnis. Schon die Romanvorlage Koushun Takamis, die sehr in der Tradition eines Werkes wie Herr der Fliegen von William Golding verhaftet ist, legt sehr viel Wert auf die Geschichten dieser Jugendlichen, die gelernt haben, oder vielmehr lernen müssen, ohne Erwachsene zu leben. Die Battle Royale ist damit auch ein Kampf gegen die Veränderung, ein Kampf der Ideologie, wobei sich die der Jugendlichen noch erst finden muss.

Allgemein zeigt sich hier der gesellschaftspolitische Zündstoff eines Werkes wie Battle Royale, welches mit Kategorien wie „Dystopie“ nicht ausreichend gefasst werden kann. Viel eher passt da Fukasakus favorisierter Begriff der Fabel, den er in einem Interview mit der Homepage Midnight Eye verwenden würde. Auch heute beobachten wir eine hilflose Erstarrung, wenn ein System mit vermeintlich aufmüpfigen Jugendlichen umzugehen hat, mit den Bildungsverlierern und den sozial Schwachen. Die Erfahrung des Krieges und des Tötens öffnet die Augen über diesen Staat und sein System, über dessen Verlogenheit und Heuchelei, aus dem logisch etwas Neues entstehen muss oder die Bestätigung eben jenes System (auch dies findet sich unter den jugendlichen Charakteren des Films wieder). Der Jugend muss unbedingter Gehorsam indoktriniert werden, was zunächst die Korrosion des Zusammenhalts unter ihnen erfordert, wofür das Battle Royale der perfekte Spiegel ist.

Credits

OT: „Battle Royale“
Land: Japan
Jahr: 2000
Regie: Kinji Fukasaku
Drehbuch: Kenta Fukasaku
Vorlage: Kōshun Takami
Musik: Masamichi Amano
Kamera: Katsumi Yanagishima
Besetzung: Tatsuya Fujiwara, Aki Maeda, Takeshi Kitano, Chiaki Kuriyama, Taro Yamamoto

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Author: Ms. Lucile Johns

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